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Sborník ze semináøe KAP Velehrad 2019

Roswitha Gottbehüt Dr. h. c.


Roswitha Gottbehüt Dr. h. c.

Das Modell der Assistierten Ausbildung: Ideen, Chancen und Erfahrungen"

Gliederung:

1. Warum das Modell der Assistierten Ausbildung?
2. ganzheitlicher Ansatz und gesetzliche Grundlage
3. Verlauf und Umfang,
4. Welche Akteure sind eingebunden?
5. Mehrwert, Erfahrungen und Anpassungen

Es geht um Berufliche Bildung, um Integration, um Inklusion:
Wer heute ausbildet, sichert sich seine Fachkräfte von morgen und bleibt langfristig wettbewerbsfähig. So sollte es bestenfalls sein.

Doch nicht immer lassen sich Ausbildungsstellen sofort besetzen. 2018 gab es in Deutschland 30.000 unbesetzte Stellen (536.000 wurden besetzt, 565.000 waren ausgeschrieben (BIBB).
In Zeiten rückläufiger Bewerberzahlen bietet der Arbeitsmarkt noch viele ungenutzte Potentiale.

Ich möchte auf ein Potential Bezug nehmen, welches seinen besonderen Wert deshalb hat, weil es unsere Gesellschaften ein Stück weit besser zusammen hält, anstatt sie auseinander zu dividieren, eine Idee und eine Chance:
Es ist die Realität, dass es viele Jugendliche ohne oder mit schwachem Schulabschluss gibt, auch die Schulabbrecher oder Jugendliche aus schwierigem sozialen Umfeld, Jugendliche, die Verhaltensauffälligkeiten haben, die mehrfach gescheitert sind oder Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Viele von ihnen sind intelligent, aber durch sich selbst und ihr soziales Umfeld im Denken und Handeln blockiert und unmotiviert.
Nicht immer spiegeln sich ihre Kompetenzen in Schulnoten und Zeugnissen wider.
Die Jugendlichen brauchen eine Chance, ihr Können und ihre Persönlichkeit freizulegen, zu entfalten und bei einem Arbeitgeber unter Beweis zu stellen.

2013 wurde deshalb die Idee der Assistierten Ausbildung (AsA) geboren und detailliert ausgearbeitet. Nach diversen Probeläufen trat am 1. Mai 2015 das Gesetz in Kraft. Die Assistierte Ausbildung ist somit im Sozialgesetzbuch festgeschrieben.

Als Ergänzung möchte ich erwähnen: Es können auch behinderte Menschen das Modell der Assistierten Ausbildung in Anspruch nehmen.
Die Assistierte Ausbildung überwindet die immer größer werdende Kluft zwischen den benachteiligten Jugendlichen auf der einen Seite und den steigenden Anforderungen der Betriebe auf der anderen Seite mit dem Ziel eines regulären betrieblichen Berufsabschlusses.

Sie ist ein Teilbereich der Ausbildungsförderung mit umfassenden Vorbereitungs- und Unterstützungsangeboten seitens der Jugendberufshilfe. Und sie ist ein Modell der engen kooperativen Ausbildung:

In dieser Kooperation gibt es
(a) den Auszubildenden.
(b) Es gibt das Unternehmen – und es gibt einen dritten Partner:
(c) einen Bildungsträger mit besonderen Aufgaben – aber auch die ständige Rückkoppelung (d) zum Jobcenter bzw. zur Bundesagentur für Arbeit ist Bestandteil.

Die Assistierte Ausbildung bietet auch Teilzeitmodelle an: Alleinerziehende Mütter und Väter, sowie junge Menschen, die Angehörige pflegen und auf Grund ihrer familiären Verpflichtungen nur mit eingeschränktem Zeitumfang teilnehmen können:
Sie können gleichermaßen nach diesem Konzept qualifiziert werden.
Wenn Unternehmen diese benachteiligten jungen Menschen in ihrem Betrieb ausbilden, werden die Unternehmen von einem durch die‚ Bundesagentur für Arbeit‘ beauftragten Bildungsträger intensiv und kontinuierlich begleitet und unterstützt. Dies sind sehr häufig Sozialverbände, die einen Bildungsauftrag haben (z.B. in Deutschland der Paritätische Wohlfahrtsverband), aber auch die Deutsche Angestellten-Akademie oder andere Institutionen, die sich eigens zu diesem Zweck der Assistierten Ausbildung gegründet haben. Alle Kosten, die dadurch entstehen, werden durch die Agenturen für Arbeit bzw. die Jobcenter vollständig getragen – übrigens auch zum Teil vom Europäischen Sozialfonds.

Verlauf und Umfang:
(a) Maßgebendes Kriterium für die Auswahl des Auszubildenden ist der konkrete individuelle Förderbedarf. Dies kann die Stärkung der Eigenverantwortung sein, die Standhaftigkeit prüfend, Verlässlichkeit einübend, aber auch Interesse wecken, ausprobieren und stabilisieren.
(b) Es gibt eine ausbildungsvorbereitende Phase bis 6 Monate, auch mit einer individuellen Vorgehensweise
- Standortbestimmung (schulischer Verlauf wird diagnostiziert, die Lebenssituation erkundet, die Motivation getestet…),
- Berufsorientierung erfragen,
- ein Profil erstellen,
- Bewerbungstraining und berufspraktische Erprobungen durchführen,
- Betriebssuche vornehmen, vom Betrieb eine Stellenakquise und
- Vertragsabschluss mit dem Unternehmen).
(c) es folgt für die Ausbildungszeit eine individuelle zeitliche Begleitung des Auszubildenden, also durchschnittlich drei Jahre.

Welche Akteure sind eingebunden?
1. Der Bildungsträger ist mit mehreren Akteuren beteiligt:
Der Ausbildungsbegleiter ist der Koordinator zwischen allen Stellen und wichtigste Bezugsperson, auch für den Betrieb und die Eltern; er muss ein guter Netzwerker sein, auch außerhalb der direkten Akteure. Der Sozialpädagoge mit vielen sozialpsychologischen Aufgaben, insbesondere einen drohenden Abbruch zu vermeiden; er soll die Stärken fördern und dadurch die beruflichen Integrationschancen erhöhen und auch ein positives Lern- und Arbeitsverhalten herstellen; die Lehrkräfte, die fachtheoretische Kenntnisse vermitteln und evtl. einen speziellen Förderunterricht durchführen.

2. Der Ausbildungsbetrieb (zweite wichtigste Säule), der die Stelle anbietet und vom Ausbildungsbegleiter eine große Hilfestellung erwartet, so z. B. sich der sozialen Probleme anzunehmen, so dass der Betrieb sich ausschließlich der fachlichen Ausbildung widmen kann.
Zwischen Ausbildungsbetrieb und Bildungsstätte wird ein Kooperationsvertrag geschlossen. Auch die Berufsschule ist eingebunden und soll die Assistierte Ausbildung und den Auszubildenden unterstützen.

3. Der Bildungsträger muss darüber hinausgehend im regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sehr gut verankert und vernetzt sein.

Voraussetzung für den Erfolg von Assistierter Ausbildung ist fachlich qualifiziertes Personal. Ausbildungsbegleiter und Sozialpädagogen sind fest angestellte Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Berufs- und Lebenserfahrung für die Begleitung förderungsbedürftiger junger Menschen besonders geeignet sind. Kontinuität ist dabei eine wichtige Voraussetzung. Der Personalschlüssel beträgt ca. für die zugewiesenen Teilnehmenden:

Ausbildungsbegleiter: Teilnehmenden = 1 : 23 - 25
Sozialpädagogen : Teilnehmenden= 1 : 31 - 33
Lehrkräfte : Teilnehmenden = 1 : 35 - 37

Die Idee der Assistierten Ausbildung und ihre Umsetzung wird für unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften immer wichtiger:
Es gibt zu viele Jugendliche, die sich abgehängt fühlen.
Sie nicht ihrem Schicksal zu überlassen, sondern sie personenbezogen anhand ihres Potentials zu fördern und zu integrieren, ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe.
Sie erleben sich dadurch als vollwertige und leistungsfähige Mitglieder unserer Erwerbsgesellschaft.
Durch die Option auf echte berufliche Teilhabe entwickeln sie eine starke Motivation und Lernbereitschaft und die Anerkennung und Förderung ihrer persönlichen Berufswünsche bewegt die meisten zu einem erfolgreichen Abschluss.

Aber auch die Unternehmen:
Viele Betriebe schrecken vor einer Einstellung zurück, weil sie sich dem erhöhten Betreuungsaufwand bei schwierigeren Bewerbern nicht gewachsen fühlen.
Aber der durch demografische Veränderungen eingetretene Fachkräftemangel setzt sie stark unter Druck.
Und der Staat?: er kann auf die zusätzlichen Beiträge zur Sozialversicherung verweisen. (Es ist also eine Einzahlung und keine oft jahrzehntelange Auszahlung).
Sie spüren, welche Möglichkeiten sich hier für benachteiligte Jugendliche, die Wirtschaft und der Staat auftun, wenn staatliche Instanzen in dieser Situation die richtigen Weichen zur Teilhabe stellen.
Es entsteht für alle eine gewinnbringende Situation.
Unsere Zukunft hängt auch davon ab, welche Perspektiven und Chancen sie jungen Menschen eröffnet.

Erfahrungen:
Die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) wurde beauftragt, die AsA zu evaluieren (März 2018), um zu überlegen, ob eine Fortsetzung bzw. Weiterentwicklung angesagt ist. Es wurden Interviews von 106 Akteuren in 29 Agenturbezirken durchgeführt. Eine Mehrheit bescheinigt ein hohes Maß an inhaltlicher Zielerreichung und damit eine erfolgreiche Umsetzung, z. B. in der Reduktion von Abbrüchen aufgrund der Stabilisierung der Teilnehmenden. Betriebe berichten von guter Begleitung, jedoch sei das Modell nicht ausreichend bekannt.
Die Mehrheit der Befragten verlangt eine Fortsetzung, davon 1/3 in unveränderter Form und 1/3 mit Anpassungen. In Flächenregionen gibt es das Problem zu großer Entfernungen.
Die Akteure des Bildungsträgers bemängeln den zu geringen Personalschlüssel in Bezug auf die hohe Teilnehmerzahl an Auszubildenden.
Außerdem sollen Finanzierungsmöglichkeiten überprüft werden (sehr teuer) und eine Öffnung für geduldete Flüchtlinge erfolgen.

Schluss:
Mit dem Modell der Assistierten Ausbildung setzt man an der Erfahrung an, dass die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher einerseits professionelle Unterstützung braucht, andererseits aber die beteiligten Betriebe und Jugendlichen nicht zu einem Objekt der Hilfeleistung werden dürfen. Die Akteure der Ausbildung – Jugendliche und Betriebe – müssen sich sicher sein können, dass sie im Rahmen einer „ganz normalen“ Ausbildung selbst das ‚Heft des Handelns‘ in den Händen halten, denn es gibt den regulären Ausbildungsvertrag zwischen Betrieb und dem Jugendlichen und branchenspezifisch die tariflich vereinbarte Ausbildungsvergütung (reguläre duale Ausbildung).
Die Beratungs-Akteure übernehmen die Rolle eines Dienstleisters, der mit einem gleichermaßen an den Bedürfnissen der jungen Menschen und der Betriebe dafür sorgt, dass Ausbildungsverhältnisse zustande kommen und auch erfolgreich verlaufen.
Ich möchte schließen mit den Worten des Chefs der Bundesagentur, Detlef Scheele: „Der Übergang von der Schule in eine Ausbildung ist der letzte Punkt, an dem wir sozialstaatlich helfen können. Wenn Jugendliche nicht in eine Ausbildung kommen, gibt es keine Regelinstitution mehr, mit der sie Kontakt haben.“

St. Katharinen, 26.9.2019 R. Gottbehüt