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Mag.a Gabriele Kienesberger (KAB-Ö)
Die Würde der Arbeit als Quelle, Maßstab und Ziel einer guten Wirtschaft
1. Grundsätzliches
Die KSL ist ein Kompass, der die Richtung weist, wie das gute Zusammenleben aller Menschen gelingen kann.
In den rund 130 Jahren der Katholischen Soziallehre haben sich 6 Prinzipien herausentwickelt, die normativ die Richtung weisen:
Gemeinwohl, Solidarität, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Nachhaltigkeit, Subsidiarität.
Das Zentrum der Soziallehre der Kirche ist keine Ideologie, kein Wirtschaftssystem. Das Zentrum ist immer der Mensch.
Der Mensch in seiner Suche nach dem guten Leben, der Mensch in seiner Beziehung, der Mensch als Abbild Gottes.
Charakteristisch für die Katholischen Soziallehre ist der Dreischritt: Sehen-Urteilen-Handeln.
Sehen: Der Blick auf die Gesellschaft, wie sie ist, mit bes. Berücksichtigung der Benachteiligten, der Armen.
Urteilen: Den Kompass befragen, ob die Richtung stimmt. Auf Basis des christlichen Menschenbildes mit den Orientierungspunkten der christl. SL Prinzipien.
Handeln: Es geht immer darum, dass Menschen in Freiheit handeln können, um eine Gesellschaft zu erwirken, in der sie ihrer Verantwortung gerecht werden können in Politik, Wirtschaft, Technik, Wissenschaft.
Die Basis ist der christliche Glaube. Die 6 Prinzipien der KSL sind Faustregeln der Verantwortung.
Menschen treffen Entscheidungen – so oder auch so.
Diese Faustregeln der Verantwortung orientieren Menschen in ihren Entscheidungen.
2. Personalität - WÜRDE
Wenn Menschen nicht als Person, sondern wie eine Ware behandelt werden, werden sie in ihrer Würde verletzt.
Der Mensch ist das Zentrum der KSL. Der Mensch als Person, in seiner Würde.
Vom zentralen normativen Prinzip der Personalität leiten sich alle anderen Prinzipien der SL ab.
Der Mensch in seiner Würde ist immer zu achten, zu schützen, zu fördern.
Der Mensch hat, so die SL der Kirche, Vorrang, Vorrang vor der Sache. Menschliche Arbeit hat Vorrang vor Finanzkapital, das Subjekt der Person hat Vorrang vor der Technik. Der Mensch steht dabei immer im Mittelpunkt. Der Mensch in seiner Würde. Der Mensch ist keine Nummer in einer Masse, sondern, so die SL, immer eine Person mit ihrer Würde, die es zu achten, die es zu schützen gilt.
Diese Würde des Menschen ist unteilbar, weil der Mensch Abbild Gottes ist, so die SL der Kirche, ist diese Würde auch nicht verhandelbar. Man kann sie sich auch nicht verdienen.
Deswegen darf ein Mensch nie als Mittel zum Zweck benutzt werden. Wer einen Menschen in seiner Würde verletzt, lästert Gott.
Menschen sind Individuen in ihrer Personalität, doch alle Menschen leben in Zusammenhängen. Niemand lebt für sich alleine.
Die Freiheit einer Einzelperson muss gelebt werden in ihrer Verantwortung in der Gesellschaft.
Diese Freiheit zu leben kann auch Schattenseiten haben. Man kann seine Freiheit missbrauchen, Macht missbrauchen. Man kann Böses tun, man kann Gutes unterlassen.
Die KSL sieht eben das menschliche Leben in dieser dynamischen Spannung zwischen Gelingen und Scheitern.
Darin entwickelt sich der Mensch. Es geht wesentlich auch darum zu schauen, dass die Würde der Menschen
nicht abgewertet wird, durch Tun, durch Unterlassen auch durch Sprache.
Personalität hängt zusammen mit der vorrangigen Option für die Armen/die Benachteiligten (weil sie jung
sind oder alt, schlecht ausgebildet, der Sprache nicht mächtig, körperlich beeinträchtigt, ohne Erwerbsarbeit).
Wie gehen wir mit den Armen einer Gesellschaft um? Werden sie in ihrer Würde als volle Menschen in Freiheit geachtet und auch gefördert? Die Würde des Menschen ist unteilbar und nicht von Vorleistungen abhängig! https://www.ksoe.at/themen/soziale-gerechtigkeit-6693
3. Wo fordert uns die gegenwärtige Situation am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft besonders heraus und wo kann uns die Katholischen Soziallehre als Kompass dienen?
Nehmen wir die Digitalisierung – als Zeichen der Zeit
Aus theologischer Perspektive erinnert die Digitalisierung und das Reden über sie an das, was das II. Vatikanische Konzil
als „Zeichen der Zeit“ beschrieben hat. Damit sind gesellschaftliche Entwicklungen gemeint, die Fragen nach dem Sinn des Lebens
aufwerfen. Denn in diesen Entwicklungen zeigen sich die Erwartungen, Hoffnungen und Ängste der Menschen und diese gilt es
„im Licht des Evangeliums“ zu deuten (vgl. Gaudium et Spes 1965, Nr. 4).
Die Soziallehre kann ein ethisches Koordinatensystem für diesen neuen Diskurs, für diese neuen Herausforderungen sein.
Der Umbruch der Arbeitswelt ist seit der Sozialenzyklika „Rerum novarum“ (1891, Leo XIII), dem Gründungsdokument
der Katholischen Soziallehre, zentrales Thema kirchlicher Lehrverkündigung. Sie war Ausgangspunkt für ihre Einmischung
in soziale und wirtschaftspolitische Fragen.
Heute, in Zeiten der Digitalisierung, erleben wir, laut dem französischen Soziologen Robert Castel, eine neue
„Metamorphose der sozialen Frage“, die sich prägnant mit dem noch ungewohnten und kontrovers diskutierten Begriff
der prekären Arbeit umschreiben lässt:
Ausgangspunkt ist, dass der Anteil geschützter Normalarbeitsplätze schrumpft und die Folgekosten durch prekäre
und ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse sowohl für das Individuum, als auch für die Gesellschaft hoch sind.
Das Charakteristische der jüngsten Entwicklungen im Bereich der Arbeitswelt (ob bereits voll digitalisiert oder erst in den Anfängen) ist zweifellos die permanente Erwerbsunsicherheit, die auch viele Menschen in der Mitte der Gesellschaft erreicht hat. Dies beschreibt der Begriff „prekäre Arbeit“.
4. Was bedeutet prekär? – Eine Definition
Nicht jede atypische Beschäftigung ist prekär. Prekär ist Arbeit dann, wenn
der Lohn deutlich unter dem Durchschnitt liegt,
keine zuverlässige Zukunftsplanung für den Einzelnen ermöglicht und
Arbeitnehmerschutzrechte reduziert sind.
Prekäre Arbeitsverhältnisse erzeugen aber über die unmittelbar Betroffenen hinaus auch bei anderen ArbeitnehmerInnen
erhebliche Unsicherheitsgefühle. Prekariarität meint demnach auch gefühlte Unsicherheit und Zukunftsangst.
Das diffuse Gefühl der Ersetzbarkeit breitet sich auch bei ArbeitsplatzbesitzerInnen aus. Die Schwebelage
dauernder Unsicherheit und die damit verbundene Blockierung jeder Lebensplanung werden zum Lebensgefühl.
Prekarisierung ist kein Phänomen an den Rändern der Arbeitsgesellschaft, sondern ein Phänomen weit
verbreiteter Verunsicherung. (Burzan 1998, 7 und 10-12)
Was können uns zu Fragen der Arbeit die Dokumente der kirchlichen Soziallehre sagen:
- Laborem exercens. Diese war die erste Sozialenzyklika von Johannes Paul II. und wurde 1981
veröffentlicht. Anlass von „laborem exercens“ ist die Beobachtung, dass mehr und mehr Arbeitskräfte
durch Maschinen ersetzt werden und dass die hierdurch entstehende Arbeitslosigkeit die wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Systeme stark belastet. In ihrem Mittelpunkt stehen theologische,
anthropologische und ethisch-politische Fragen der Arbeit.
- Ein zweites wichtiges Dokument ist das 2004 veröffentlichte Kompendium der Soziallehre der Kirche,
das vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden verfasst wurde und eine aktuelle Zusammenfassung
der kirchlichen Soziallehre bietet. Bezugspunkt der ethischen Reflexion sind hier insbesondere die Fragen der Globalisierung.
Insgesamt wird der aktuelle Wandel der Arbeitswelt als „dramatisch“ eingestuft. Laborem exercens versteht das Bemühen um gesellschaftliche Verantwortung ganz unmittelbar als Glaubenspraxis (z.B. Nr. 25). Kirche ist nur mit sich identisch, wenn sie diakonische Kirche ist. Sie ist darauf angelegt, Christus dort zu suchen, wo Menschen in Not sind. Das ist heute ganz wesentlich bei den Menschen, die durch prekäre Arbeit verunsichert sind. Christus dort zu suchen, wo Menschen in Not sind – darin sehe ich auch den Auftrag der Christlichen ArbeitnehmerInnen-Bewegung.
Also geht es hier um Nächstenliebe, aber - immer auch um Gerechtigkeit!
Nach biblischer Tradition meint Gerechtigkeit (zedekia) keinen erreichbaren Ordnungszustand, sondern eine Beziehung
der Anerkennung, die die Würde des Nächsten auch und gerade dann achtet, wenn er abgehängt ist.
Gerechtigkeit zielt, nach dem jüdischen Philosophen Avishai Margalit, auf eine „Politik der Würde“
(der jüdische Philosoph rekurriert in seinem Konzept wesentlich auf biblisch-alttestamentliche Quellen).
Sie fragt nach den gesellschaftlichen Bedingungen dafür, dass möglichst alle Menschen ihre Fähigkeiten entfalten können.
5. Sabbat
Zu einem christlichen Verständnis von Arbeit gehört jedoch ebenfalls ihre Begrenzung durch den Sabbat.
Die Arbeit ist um des Menschen willen da und nicht umgekehrt, der Mensch um der Arbeit willen.
Die Fokussierung des modernen Arbeitsverständnisses auf das Herstellen von Produkten wird auch vielfach
in den Dokumenten der katholischen Soziallehre kritisiert.
(und muss im Zusammenhang mit Ressourcenvergeudung und Nachhaltigkeit aus Sicht der Schöpfungsverantwortung
noch viel stärker zur Diskussion gestellt werden – Stichwort De-growth-Bewegung)
6. Bleiben wir beim Arbeitsbegriff
Anthropologisch ist Arbeit jede zielgerichtete und leistungsbestimmte Form menschlicher Tätigkeit.
Sie hat einen Doppelcharakter: einerseits Mühsal, Last, Zumutung und Selbstüberwindung, anderseits Kreativität,
Glück und Selbsterfüllung (Baumgartner/Korff 1999, 88; Haefner 1999). Sie ist zugleich
- notwendiges Mittel zur Bestreitung der Existenzsicherung und
- Medium für eine Entfaltung des Menschseins und der sozialen Integration.
Arbeit in diesem anthropologisch existenziellen Sinn ist weit mehr als Erwerbsarbeit. Sie gehört auch in privaten und familiären Bezügen zur Daseinsform des Menschen: (u.a. Erziehung, Pflege und Sorgearbeit, ehrenamtliches Engagement auf gemeindlicher und politischer Ebene)
In der Neuzeit ist Arbeit der Vektor des Fortschritts, die eigentliche Quelle des menschlichen Wohlstandes.
Sie ist die treibende Kraft im Aufstieg der menschlichen Zivilisation.
Arbeit ist ein sehr hohes und dementsprechend gefährdetes Gut. So muss eine angemessene Wirtschafts- und
Arbeitsordnung stets neu die richtige Balance zwischen Effizienz und humaner Ausgestaltung der Arbeit finden.
Gefährdungen humaner Arbeit liegen u. a. in der Arbeitsteilung, der Trennung von Arbeit und Kapital sowie
im Auseinandertreten von ökonomischer organisierter Arbeitswelt und personaler Beziehungswelt.
Der sinnstiftende Aspekt von Arbeit und ihre ökonomische Verwertbarkeit müssen unter sich wandelnden
Bedingungen stets neu in eine Balance gebracht werden.
7. Ethische Leitgedanken zur Würde der Arbeit
Aus der hier skizzierten theologischen und anthropologischen Perspektive ergibt sich, dass der Wert
der Arbeit nicht allein aus dem Preis ihrer Produkte abzuleiten ist, sondern ebenso aus dem personalen
Vollzug dessen, der sie verrichtet. Als wesentliche Dimension menschlicher Entfaltung kommt der Arbeit
eine besondere Würde zu, die in ihrer Gestaltung entsprechend zu achten ist.
Denn: Wenn Arbeit zur Ware wird, dann wird der Mensch zur Ware.
Das wäre nach Laborem exercens eine Umkehrung der Schöpfungsordnung. Für Johannes Paul II. liegt „der Fehler des ursprünglichen Kapitalismus“ darin, dass der arbeitende Mensch nur als Mittel zum Zweck betrachtet wird (LE 7,9). Dies ist in seinen Augen die ethische Achillesverse des Kapitalismus (Emunds 2008, 17). Deshalb bedürfe der Kapitalismus einer „ständigen Revision“, um den Menschenrechten auch in den Arbeitsbeziehungen so umfassend wie möglich Geltung zu verschaffen (LE 14,6).
8. „Arbeit hat Vorrang vor dem Kapital“
ist ein wichtiger Leitsatz aus laborem exercens; Eigentum habe der Arbeit zu dienen: Es unterliegt
der Sozialpflichtigkeit und bei Kollektivgütern dem Recht auf gemeinsame Nutzung (laborem exercens Nr. 12).
Mit Blick auf die alles überwölbende Macht der Finanzmärkte wird dieser Konflikt als „besorgniserregend“
gekennzeichnet (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2006, Nr. 279).
9. Warencharakter der Arbeit – Globalisierungswettbewerb – Finanzmärkte
Zentrales Anliegen der Soziallehre ist, dass die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
an der Achtung der Würde der Arbeit ihre Grenzen finden müsse. Dies ist durch die jüngsten Entwicklungen
in neuer Weise aktuell. Der Warencharakter der Arbeit, der durch die sozialen Sicherungssysteme gebändigt
zu sein schien, tritt heute unter dem Druck des Globalisierungswettbewerbs und der Logik von Finanzmärkten
wieder stärker in den Vordergrund.
In der Logik finanzmarktgetriebener Akkumulation sind Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen lediglich Restgrößen, die flexibel an Markterfordernisse angepasst werden müssen.
10. Das Recht auf Arbeit
Im Kompendium der Soziallehre ist dem Recht auf Arbeit ein eigenes Unterkapitel gewidmet. So besagt
der Begriff der „Arbeitsgesellschaft“, dass die Arbeit über die Einkommenserzielung hinaus auch noch
andere wichtige Funktionen hat:
Gesellschaftliche Integration,
Anerkennung und
soziale Sicherheit
werden über sie vermittelt. Solang dies so ist, beinhaltet das Recht auf gesellschaftliche
Teilhabe ein Recht auf Arbeitsmöglichkeit und geeignete, gute Arbeit.
In Bezug auf Migranten und Migrantinnen wird im Kompendium eingefordert, dass ihnen
ohne Unterschied die Rechte zugestanden werden, die den inländischen ArbeiterInnen
zukommen (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2006, Nr. 298).
Mit dem Konflikt zwischen Arbeit und Familie wird ein zentraler Aspekt prekärer Arbeit benannt, allerdings fehlt die Konkretisierung. Da für eine große Zahl von Frauen atypische und häufig prekäre Beschäftigung eine beständige Realität war und ist, sind hier differenzierte Reflexionen nötig.
Gerechter Lohn und gute Arbeit
Entscheidend ist aus der Perspektive katholischer Soziallehre, dass die Diskussion um Löhne nicht
den Blick auf die Qualität der Arbeit verdeckt.
Die Art, wie die Güter produziert und verteilt werden, ist zentrales Kriterium für wirtschaftlichen
Wohlstand (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2006, Nr. 303). Arbeit ist demnach nicht
nur Mittel, sondern zugleich –wie anfangs gesagt – Quelle, Maßstab und Ziel des Wirtschaftens.
Um Bedingungen für gute Arbeit zu realisieren, seien Staat, Unternehmen und Gewerkschaften heute
zu neuen Formen des Handelns aufgerufen (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2006, Nr. 308).
Die Gewerkschaften sollten den Aktionsradius ihrer Solidarität auch auf „ArbeiterInnen mit atypischen oder mit Teilzeitverträgen“ ausdehnen sowie auf Menschen ohne Beschäftigung, auf Einwanderer und Saisonarbeiter (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2006, Nr. 308). Hier klingen bereits die heutzutage im Mittelpunkt stehenden Probleme prekärer Arbeit an.
11. Soziale Unsicherheit ist in die Mitte der Gesellschaft zurückgekehrt.
Atypische, nicht-standardisierte Beschäftigung ist längst zu einem Massenphänomen geworden.
In der Bauwirtschaft und dem Einzelhandel sind Normalarbeitsverhältnisse für die Mehrheit
nicht mehr erreichbar. (Brinkmann/Dörre/Röbenack 2006, 41) In der Bauwirtschaft und der
Fast-Food-Industrie sowie dem Reinigungs- und dem Transportwesen expandiert das Subunternehmertum.
Bezahlte Praktika als Einstieg in attraktive Jobs, sind statistisch nur unvollständig erfasst.
Der durch den Strukturwandel auf den einzelnen ausgeübte Anpassungsdruck ist so groß, dass er
oft nicht hinreichend individuell bewältigt werden kann. Sozialstaatlich kann er oft nur nachsorgend abgefangen werden.
Bildung
Bildung ist in der Wissensgesellschaft eine entscheidende Voraussetzung, um produktiv mit den Umbruchprozessen umgehen zu können.
FOLIE
13. LAUDATO SI‘
Umwelt und Sozialfragen
Wer die Enzyklika Laudato si‘ kennt, kann feststellen, dass sich Franziskus sehr stark an den Menschenrechten
orientiert, sich implizit immer wieder darauf bezieht.
Neu daran ist, dass er ganz klar Umwelt- und Sozialfragen miteinander verknüpft.
Papst Franziskus weist auf die gegenseitige Verbindung aller Lebenden hin, die ein „gemeinsames Haus“ teilen.
Also, den oikos gemeinsam bewirtschaften, was ja in Ökonomie und Ökologie drin steckt.
Diese Sorge um das gemeinsame Haus bringt Franziskus seit Beginn seines Pontifikats immer wieder zum Ausdruck:
„Sich bei der sozialen Frage zu engagieren heißt, die weltweite Frage aufzuwerfen.“ (zitiert er selbst
Johannes Paul II.).
Das zeigt uns, dass Franziskus‘ Sorge kein partikuläres Merkmal des aktuellen Papstes ist.
Vielmehr hat die kath. Kirche nach und nach ökologische Fragen aufgenommen und in Verbindung
mit defizitären sozialen Entwicklungsprozessen gebracht.
Franziskus sieht den sozialen Dialog als einen Beitrag zum Frieden. Er wendet sich nicht nur an
die Christinnen und Christen, sondern an alle Menschen, um ihnen einen offenen Dialog über Fragen
anzubieten, die alle Menschen angehen.
Ich erwähne hier zwei Themen der Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si:
2 FOLIEN
1. Klima und Klimawandel
Äußerst wichtig ist der enge Zusammenhang, den Franziskus gleich zu Beginn seiner Reflexion über die ökologische
Krise und den Zusammenhang zwischen sozialen und ökologischen Fragen herstellt: Die Anfälligkeit des Planeten und
die Lebensbedingungen der Ärmsten bilden zwei Seiten ein und derselben Medaille.
2. Das Gemeinwohl und die allgemeine Bestimmung der Güter
Das Gemeinwohl wurzelt in der Würde, Einheit und Gleichheit aller Menschen und umfasst die Gesamtheit der
gesellschaftlichen Bedingungen, die allen Gruppen wie auch Einzelnen ein gutes Leben ermöglichen.
Franziskus sagt:
Das Gemeinwohl ist unteilbar und kann nur gemeinsam erreicht, gesteigert und für die Zukunft bewahrt werden.
Es beinhaltet alles, was ein gutes und friedliches Leben ermöglicht, wie etwa Frieden, Rechtsordnung, Umweltschutz,
Sicherung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse – Ernährung, Wohnung, Arbeit, Erziehung und Bildung, Gesundheit,
Informationsfreiheit und Religionsfreiheit. Dieses Gemeinwohl muss auch für künftige Generationen sichergestellt werden: (LS 159)
Franziskus sieht den Beitrag der UnternehmerInnen in Verbindung mit dem Gemeinwohl: „Die Unternehmertätigkeit, die eine
edle Berufung darstellt und darauf ausgerichtet ist, Wohlstand zu erzeugen und die Welt für alle zu verbessern,
kann eine sehr fruchtbringende Art und Weise sein, die Region zu fördern, in der sie ihre Betriebe errichtet,
vor allem wenn sie versteht, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen ein unausweichlicher Teil ihres Dienstes am Gemeinwohl ist.“ (LS 129)
Der Papst verweist auf die christliche Tradition, die das Recht auf Privatbesitz diesem Prinzip immer untergeordnet hat. (LS 93-95).
Bereits in Evangelii Gaudium hatte Franziskus klargelegt: „Die Würde des Menschen und das Gemeingut gelten mehr als das
Wohlbefinden einiger, die nicht auf ihre Privilegien verzichten wollen.“ (EG 218)
Angesichts des Ausmaßes an Ungerechtigkeiten in der Welt von heute ist die vorrangige Option für die Ärmsten die
logische Konsequenz des Prinzips des Gemeinwohls. (LS 158)
An diesem Punkt verweist Franziskus auf seine Doktrin in Evangelii Gaudium, aus der hier nur drei Merkmale
hervorgehoben werden:
1) Armut kann bloß als eine sozioökonomische Variable gesehen werden. Aber die Armen sind immer Menschen.
Sie haben immer ein Antlitz, einen Namen, eine Geschichte, ein eigenes Leben und eigene Erfahrungen.
2) Die Armen sind die ersten Adressaten des Evangeliums. In dieser biblischen Tradition wird materielle
Armut mit der menschlichen Erfahrung des Arm-Seins, d.h. der radikalen eigenen Vergänglichkeit
und Schwäche, in Zusammenhang gebracht.
3) Daraus folgt, dass diese Option für die Armen „heute ein grundlegender ethischer Anspruch für eine
effektive Verwirklichung des Gemeinwohls“ ist. (LS 158)
Am Ende seiner Enzyklika knüpft der Papst wieder an die christliche Spiritualität sowie an die Theologie der Schöpfung an, die er zu Beginn dargelegt hatte. Menschen schöpfen Kraft für ihr soziales Engagement nicht aus irgendeinem Imperativ („Kein Mensch muss müssen!“), sondern aus Grundüberzeugungen. Und diese Grundüberzeugungen ihrerseits führen sie hin zur Sorge um „das gemeinsame Haus“ und zum daraus folgenden Einsatz – also die Ökonomie, die das gute Leben für alle zum Ziel hat.
14. Herausforderungen und Schluss
Das Phänomen von Armut und Unsicherheit trotz Arbeit in Zeiten fortschreitender Digitalisierung ist zu einer
zentralen politischen Herausforderung geworden (Emunds 2008, 22). Betroffen sind in besonderer
Weise Familien, die ihre Kinder nicht angemessen versorgen können und die durch ihre familiäre
Situation auf ein höheres Maß an Absicherung durch den Sozialstaat angewiesen sind.
Ökonomische Wertschöpfung in der technisierten Gesellschaft ist auf ein neues Zusammenspiel
von Arbeit und Kapital angewiesen. Politische Gestaltung muss über der Logik von Finanzmärkten stehen.
Wenn sich die Menschen konstruktiv auf die Chancen und Risiken der modernisierten und digitalisierten
Arbeitsmärkte einlassen sollen, dann brauchen sie im Hintergrund ein erhöhtes Maß an Stabilität durch
Netzwerke der Solidarität, seien sie sozialpolitischer, familiärer oder gesellschaftlicher Art.
Ein gut ausgebauter Sozialstaat ist gefordert.
Schluss
Es steht christlichen AkteurInnen sehr gut an, die gesellschaftliche Transformation kritisch
zu begleiten und mitzugestalten, auf das Tempo von Entwicklungen und Veränderungen zu achten,
eine akzeptable Geschwindigkeit einzumahnen.
Wenn es gelingt, das Tempo der Veränderungen zu reduzieren, ist schon viel gewonnen.
Dazu gehört auch immer eine tabulose Debatte über Verteilung und Gerechtigkeit.
Was könnte also die Christliche ArbeiternehmerInnen-Bewegung als gestaltende Kraft
in der Debatte um Fragen der Arbeitswelt einbringen?
Die Aufgabe der KAB war es immer, Debattenräume zu öffnen, so wie diese Konferenz hier.
Es ist dies eine gute Tradition in einer Zeit, wo der gesellschaftliche Dialog wichtiger
ist denn je. Gleichzeitig ist es auch eine Stärke der KAB, dass sie nicht einfach nur für sich
bleiben kann, sondern sich mit allen Kräften, die in der Arbeitswelt gestaltend sind, zusammensetzen muss.
Das bietet die Chance auf Wirksamkeit.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.