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Sborník ze semináøe KAP Velehrad 2017

Thomas Wallimann-Sasaki

Thomas Wallimann-Sasaki

Digitalisierung und Arbeitswelt – eine Herausforderung für die Katholische Soziallehre

Digitalisierung und Industrie 4.0 verändern unsere Arbeitswelt. Die einen versprechen viel Gutes, andere sehen viele Gefahren. Die Katholische Soziallehre entstand für über 125 Jahren als Antwort auf die damaligen Veränderungen in der Arbeitswelt. Ihre ethischen Wegweiser bieten auch für die heutigen Herausforderungen wertvolle Hinweise. Der Artikel entstand auf der Basis eines Vortrags anlässlich des Seminars „Digitale Welt der Arbeit – Industrie 4.0“ von Christ und Arbeit E.V der tschechischen Republik (KAP) vom 8.-10. September 2017 in Velehrad.

Mensch und Arbeit – von Industrie 1.0 zu 4.0
Mit dem ersten mechanischen Webstuhl beginnt für die meisten am Ende des 18. Jahrhunderts die Zeit der Industrialisierung. Zu dieser beginnenden Mechanisierung gehören auch die Nutzung der Wasserkraft und die Dampfmaschine. Die zweite Phase der Industrialisierung wird mit der Fliessbandarbeit bei Ford und der Elektrifizierung (ab 1870) verbunden, während Industrie 3.0. mit der Programmierung von Steuerungen in Ende der 1960er Jahre beginnt. Industrie 4.0 – da stehen wir mitten drinn – bedeutet die Vernetzung von Robotern, Computern und menschlicher Arbeit durch das Internet – sogenannte Cyber-physikalische Systeme. In diesen Industrialisierungsphasen lässt sich gleichzeitig beobachten, dass die wöchentliche Arbeitszeit zurückging. Auch die Arbeitsplätze sind Veränderungen unterworfen. Von der Fabrik verlagern sich diese ins Büro und ins Homeoffice in die eigene Wohnung. Jede dieser Phasen hat einerseits traditionelle Arbeitsplätze zum Verschwinden gebracht und neue geschaffen. Damit schuf die Entwicklung aber auch neue Gruppen von Benachteiligten wie Gewinnerinnen.

Digitalisierung und Roboter – unausweichlich umfassend!
Digitalisierung und Roboterisierung sind in vielen Medien ein Schlüsselthema. Interessant ist zu beobachten, mit welchen Eigenschaften diese Entwicklung verbunden wird:
1. Messbarkeit: In der digitalisierten und vernetzten Welt wird alles (!) messbar. Für die noch so unbedeutendsten Dinge gibt es sog. „Tracker“, die meistens online Daten sammeln und zur Verfügung stellen. Dies erweckt den Eindruck, dass das ganze Leben durch genügend ausgeklügeltes Messen erfasst und auch gesteuert werden kann.
2. Wie eine Naturgewalt: Wenn die aktuelle Entwicklung beschrieben wird, brauchen die Autorinnen meistens Bilder aus der Natur. Wie eine „Welle“ oder eine „Lawine“ sind wir der Digitalisierung ausgesetzt. Das Bild mit der Naturgewalt vermittelt eine Art Hilflosigkeit und auch Ausweglosigkeit.
3. Digitalisierung ist umfassend. Kein Aspekt des Lebens wird ausgelassen. Algorithmen helfen das richtige Essen, die besten Kleider und den richtigen Lebenspartner finden – dabei geht man davon aus, dass rationale Entscheide am besten von lernenden Maschinen gefällt werden und diese menschlichen Entscheiden – „naturgemäss“ – überlegen sind.

Digitalisierung – ein Zeichen der Zeit
Aus theologischer Perspektive erinnert die Digitalisierung und das Reden über sie an das, was das II. Vatikanische Konzil als „Zeichen der Zeit“ beschrieben hat. Damit sind gesellschaftliche Entwicklungen gemeint, die Fragen nach dem Sinn des Lebens aufwerfen. Denn in diesen Entwicklungen zeigen sich die Erwartungen, Hoffnungen und Ängste der Menschen und diese gilt es „im Licht des Evangeliums“ zu deuten (vgl. Gaudium et Spes 1965, Nr. 4).

Digitalisierung – Herausforderung an unser Menschenbild
Die Erwartungen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, erinnern häufig an Vorstellungen einer heilen und vollkommenen Welt. Wenn nur genug Daten vorhanden sind, dann sind wir auf dem Weg zur idealen Gesundheit, zur besten Partnerin oder zu einer Welt ohne Hunger und Konflikte. Digitalisierung verspricht Kommunikation „ohne Grenzen“ und häufig auch eine Art „ewiges Leben“ ohne Komplikationen – man muss nur warten, bis die Algorithmen genug lernfähig sind.
Diese Form eines Himmels auf Erden gehört nicht zum biblisch-christlichen Menschenbild. Im biblisch-christlichen Verständnis hat der Mensch zwar Freiheit geschenkt bekommen, doch er ist als Geschöpf Gottes auch fehlerhaft und läuft immer wieder Gefahr, „himmlischen“ Versprechen zu verfallen. Doch der Mensch lebt nicht im Paradies. Er kann zwar davon träumen, machen kann er es nicht. Darum muss er lernen die Spannung zwischen Ideal und Realität auszuhalten. Diese erfährt er auch in dem, was er tut. Jede Erfindung, jede Technik und jedes Gerät ist ambivalent. Der Mensch kann es zum Guten wie zum Bösen gebrauchen. Das gilt auch für Algorithmen und Programme.

Digitalisierung – Orientierungshilfen aus der Soziallehre der Kirche
Der Mensch muss daher das Zusammenleben wie auch den Umgang mit technischen Errungenschaften aktiv und bewusst gestalten. Die Katholische Soziallehre entstand Ende des 19. Jahrhunderts, weil die Menschen sahen, dass der Prozess der Industrialisierung geformt und gestaltet werden musste. Ein Teil der Regelungen muss der Staat übernehmen, andere aber auch die einzelnen Menschen oder Gruppen.
In der Soziallehre entstanden so fünf Wegweiser, die auch in der Industrie 4.0 von Bedeutung sind.
Wir müssen das Umfeld so gestalten, dass auch Industrie 4.0 für den Menschen da ist und nicht umgekehrt. Dies bedeutet, weniger zu fragen, ob Roboter wie Menschen werden, sondern vielmehr acht zu geben und dafür zu sorgen, dass wir Menschen nicht wie Roboter zu leben und funktionieren beginnen.
Dann gilt es auf jene zu schauen, die am meisten benachteiligt sind durch die neuen Entwicklungen. Ihnen müssen Hilfen gegeben werden, denn auch sie sind Menschen und verdienen Respekt und Achtung.
Schliesslich sollen die Massnahmen dort ergriffen werden, wo sie am besten wirken. Gewiss braucht es Gesetze auf staatlicher und überstaatlicher Ebene, doch auch in Gruppen, Unternehmen oder in der Kirche soll man Regeln erarbeiten, wie mit den neuesten technischen Entwicklungen umgegangen werden soll, damit sie dem Menschen dienen zum Wohl aller.
Denn – so der vierte Wegweiser – es gilt so zu handeln und zu gestalten, dass auch die künftigen Generationen sich entwickeln und leben können – und dies in einer Welt, die allen Menschen Lebensgrundlage bieten kann.
Ziel aller Massnahmen und Regulierungen muss nämlich das Gemeinwohl sein (5. Wegweiser). Es soll allen (!) Menschen gut gehen – und so muss darauf geachtet werden, dass nicht einige übermässig profitieren, während andere übermässig die Lasten tragen müssen.

Fazit: Weder Teufel noch Himmel. Wir sind gefordert!
Industrie 4.0 ist weder zu verteufeln noch zu glorifizieren! Industrie 4.0 ist auch keine Naturgewalt, sondern das Ergebnis technischer Entwicklungen des Menschen, die vom Menschen, von uns, gestalten werden müssen. Je nach Einfluss und Macht, Wissen und Möglichkeiten, sind wir gefordert, auch neue Rahmenbedingungen für eine vernetzte, cyber-physikalische Welt zu bauen. Diese Rahmenbedingungen werden – wie auch die Technik – teilweise komplett neu sein, teilweise in der Tradition anknüpfen.
Mit den Arbeiterbewegungen hat die Kirche zu Beginn der Industrialisierung eine Entwicklung unterstützt, die Menschen befähigte, sich selber einzubringen. Auch heute ist darum ein wichtiger Schritt, dass Menschen lernen, wie Industrie 4.0 funktioniert und dass sie im offenen Gespräch und in offenen Räumen lernen und austauschen können, welche Wegweiser (und z.B. Werte) für diese Gestaltung notwendig sind und wie sie konkret aussehen können.

Autor und Kontakt:
Dr. Thomas Wallimann-Sasaki ist Theologe und Sozialethiker. Er leitet ethik22, das Institut für Sozialethik, das aus dem Sozialinstitut der KAB Schweiz (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) hervorgegangen ist. Er beschäftigt sich mit ethischen Fragen in der Gesellschaft und Arbeitswelt. Ehrenamtlich ist er Präsident der bischöflichen Kommission Justitia et Pax. Zudem unterrichtet er Wirtschaftsethik und Technikethik an verschiedenen Hochschulen.

Thomas Wallimann-Sasaki Dr. theol.
ethik22 – Institut für Sozialethik
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